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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 15.02.2008


Corinne Douarre – ciel XXL
Silvy Pommerenke

Das Chanson lebt, vor allem durch den französischen Blick auf deutsche Lebenswelten. Die Wahlberlinerin zeigt, wie es geht und verursacht dadurch vor allem eines: tiefe Gefühle und Spaß beim Hören!




Diese scheinbaren Gegensätze vereint die ehemalige Architekturstudentin aufs leichteste miteinander, indem sie Pariser Charme mit berlinerischer Schnoddrigkeit paart. Dabei entstehen eben keine explizit klassischen Chansons, sondern eine Mixtur aus Elektro, rockigen E-Gitarreneinlagen, einem Schuss Françoise Cactus, und manchmal klingt sie wie die neue französische Präsidentengattin Carla Bruni. Bei all den Vergleichen mit anderen Musikerinnen besticht Douarre jedoch vor allem durch ihre eigene Stilistik, die getragen wird durch die melancholisch schwermütige Stimme, die extrem konträr zu ihrer wilden Haarpracht steht, mit der sie noch auf ihrer Website abgelichtet ist. Mittlerweile sind die Haare nicht mehr ganz so wild, sondern einem glatten Langhaarschnitt gewichen, und die Chanteuse hat nun ihr drittes Album produziert, nachdem sie in Eigenproduktion im Jahr 2000 ihr Debut in einer kleinen Auflage von 500 Stück herausbrachte und 2003 das Album "Virages" nachlegte.

Warum ausgerechnet eine Französin ihre Liebe zu Deutschland entdeckt erscheint auf den ersten Blick wenig einleuchtend, wenn man die Seine gegen die Spree in einen direkten Vergleich stellt. Auf den zweiten erfährt man allerdings Details darüber, dass ihr Vater während des Zweiten Weltkrieges Zwangsarbeiter in Plauen war, und die Künstlerin offensichtlich ihren Wurzeln nachgehen wollte und schon vor einigen Jahren nach Berlin zog. Wie gut, dass die Schrecknisse der Vergangenheit nicht eine grundsätzliche Ablehnung gegenüber diesem Land aufbringen, sondern trotzdem eine Neugier auf das zulassen, was war, was ist und was noch werden kann. Seit 2004 engagiert sich die Sängerin in einem von ihr ins Leben gerufenen Musikprojektes in Plauen und bringt dadurch Jugendliche aus Deutschland, Frankreich und Polen zusammen. Somit steht Corinne Douarre nicht nur für erstklassigen Chanson, sondern auch für die Verständigung zwischen den Nationen.

Anspieltipps: "Ma mémoire m`oublie" ist zum Heulen schön! Kaum jemand hängt seinen vergessenen Erinnerungen so melancholisch nach, wie Corinne Douarre auf diesem Song. Sparsam instrumentiert und begleitet von Marc Haussmann am Klavier spricht dieses Chanson Bände. Zum mitfühlen, mitleiden und mitdenken. Tränen garantiert! "Zusammen oder getrennt" ist hingegen ein latent electro-lastiger Song, der vor allem durch die Ironie des Textes lebt und bereits auf ihrem Debut von 2000 zu finden war. Die Französin nimmt hierin die deutsche Untugend aufs Korn, dass bei gemeinsamen Kneipengängen jede/r für sich die Rechnung bezahlt. Sehr amüsant! "Je Suis À L'ouest" ist wiederum einer dieser klassisch dramatisch, tief emotionalen Chansons, bei denen man nur in die Knie gehen kann vor Wonne. Außerdem kann wohl jede/r einen Himmel in XXL gebrauchen, wie der CD-Titel verspricht.

Corinne Douarre im Netz: www.corinnedouarre.com

Weiterhören: Jane Birkin und Charlotte Gainsbourg

AVIVA-Tipp: Die französische Chanteuse Corinne Douarre präsentiert federleichtes Liedgut, das durchdrungen ist von zeitweiliger Schwermut – wie man es von einem richtigen Chanson erwartet – und gleichzeitiger Leichtigkeit, die in Bezug auf eine Chanson-Sängerin unerwartet aber nicht unverhofft kommt. Chansonesque Popsongs im Großformat, die einen Hauch französischen Lebensgefühls ins triste Berliner Wintermärchen bringen. Unbedingt kaufen und hören!

Corinne Douarre
ciel XXL

Label: Broken Silence, Februar 2008


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Beitrag vom 15.02.2008

Silvy Pommerenke